Erfahrungen mit Ubuntu 8.10
Am 30.10. wurde die Ubuntu Version 8.10 mit dem Codenamen Intrepid Ibex (Erschrockener Steinbock) veröffentlicht. In diesem Artikel berichte ich über meine ersten Eindrücke mit der brandneuen Ubuntu Version, die zumindest für nichtbehinderte Anwender alles noch einfacher machen soll. Mein Fazit für blinde Anwender fällt allerdings erschreckend schlecht aus, da sich im Bereich Accessibility aus meiner Sicht nichts zum positiven entwickelt hat.
Die Distribution steht in verschiedenen Ausführungen (Desktop CD, Alternate install CD und Server CD) zum Herunterladen bereit. Weiterhin gibt es eine spezielle Version für Geräte mit einem Touchscreen. Hier geht es zum Server der Universität Bayreuth, wo die CD-Images heruntergeladen werden können.
Die Desktop CD
Wer das Arbeiten mit dem GNOME Desktop einmal unverbindlich ausprobieren möchte, kann dies mit dieser CD tun. Sie enthält nämlich ein Live-System was bedeutet, dass es nicht installiert werden muss. Der GNOME Desktop ist komplett von CD lauffähig.
Wenn man die CD bootet, ist zunächst die gewünschte Sprache zu wählen. Um hier auf die deutsche sprache zu wechseln, ist dreimal die Cursor-auf-Taste zu drücken und die Auswahl mit Enter zu bestätigen. Da der Screenreader Orca nach dem Laden der GNOME Desktop Umgebung automatisch gestartet werden soll, ruft man mit der Taste F6 das Menü für Barrierefreiheits-Einstellungen auf. Wenn man nun dreimal die Cursor-unten-Taste drückt, hat man den richtigen Menüpunkt markiert und bestätigt diesen mit der Enter-Taste. Nun erscheint eine Auswahl der zu startenden Systeme. Um den Desktop zu starten, ist der Bootvorgang mit der Enter-Taste fortzusetzen.
Wenn der Startvorgang beendet ist, sollte sich die Sprachausgabe melden und die Registerkarte “Allgemein” der Orca-Einstellungen angezeigt werden. Wer ohne Braillezeile arbeiten möchte, kann sofort loslegen und mit der Tastenkombination Alt+F1 das GNOME-Menü (vergleichbar mit dem Startmenü von Windows) aufrufen oder mit Strg+alt+D den Desktop betreten.
Aktivieren der Braillezeile
Der Screenreader Orca ist für die Unterstützung einer Braillezeile auf einen zugrundeliegenden Screenreader angewiesen. Den Screenreader BrlTTY kann man starten, indem man zunächst mit der Tastenkombination Alt+F2 den Ausführen-dialog startet. Wenn eine USB-Zeile angeschlossen ist und die deutsche brailleschrift verwendet werden soll, it hier folgendes einzugeben: brltty=,,de
Für eine Zeile am seriellen Anschluss sind die Parameter für den hersteller der Braillezeile und den verwendeten Anschluss (meist Com1) mit anzugeben. Für eine Handy Tech Zeile am ersten seriellen Anschluss sähe der Aufruf so aus: brltty=ht,ttyS0,de
Eine Liste der von BrlTTY untersstützten Braillezeilen ist hier zu finden.
Wurde BrlTTY gestartet, erscheint auf der Braillezeile zunächst der Text “no screen”. Das liegt daran, dass der Screenreader BrlTTY nur in der Textkonsole funktioniert. Wenn man in den Orca-Einstellungen auf den OK-Schalter drückt, wird Orca neu gestartet und die Braillezeile auch unter GNOME unterstützt.
Das System herunterfahren
Wenn man seine Desktop Erkundung beenden möchte, ist mit Alt+F1 das GNOME-Menü zu öffnen. Nun bewegt man sich mit der Pfeil-links-Taste zum Punkt System und wählt hier mit der Pfeil-oben-Taste den Dialog Ausschalten.
Die Alternate install CD
Diese CD eignet sich sehr gut zur Installation von Ubuntu mit einer Braillezeile, da der textbasierte Debian-Installer verwendet wird. Dieser wurde nur an manchen Stellen von Ubuntu angepasst.
Wenn man die CD startet, erscheint auch hier zunächst eine Liste der verfügbaren Sprachen. Drückt man dreimal die Cursor-auf-Taste hat man die deutsche Sprache markiert. Mit der Entertaste bestätigt man seine Auswahl. Um eine Braillezeile zu aktivieren, ist mit der Taste F6 die Zeile mit den Kernelparametern aufzzurufen. Für eine USB Braillezeile gibt man folgendes ein: brltty=,,de
Die Parameter für den hersteller und den Anschluss werden nicht angegeben, da eine USB Braillezeile automatisch erkannt wird. Der Parameter de sagt, dass die deutsche Brailleschrift verwendet werden soll. Wer eine serielle Zeile verwendet, gibt z. B. folgendes ein: brltty=ht,ttyS0,de
Der Parameter ht steht hier für eine Handy Tech Zeile. Der erste serielle Anschluss wird mit ttyS0 spezifiziert und die Angabe von de legt die deutsche Blindenschrift fest.
Nun wird die Installation gestartet. Man wird zunächst nach der zu verwendeten Sprache gefragt. Hier ist bereits Deutschland vorselektiert, was man mit der Entertaste bestätigen kann. Die Frage nach der automatischen Erkennung der Tastatur würde ich mit nein beantworten und selbst die Deutsche Tastaturbelegung auswählen.
Der Rest der Installation ist eigentlich unspektakulär, weshalb ich hier nicht im Detail darauf eingehen möchte. Bei Fragen stehe ich aber gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Nach der Installation
Nach der Installation wird Ubuntu gestartet, wenn man beim Bootmenü nichts anderes auswählt. Negativ fällt hier auf, dass der Screenreader BrlTTY nicht geladen wird. Man kann also nicht einmal auf der Textkonsole arbeiten. Schuld daran ist die Datei /etc/default/brltty. Hier ist der Parameter RUN_BRLTTY nämlich auf no gesetzt. Standardmäßig befindet man sich nach dem Bootvorgang beim grafischen Anmeldebildschirm. Wenn man hier Benutzername und Kennwort jeweils mit enter bestätigt, wird eine GNOME Sitzung gestartet. Mit der Tastenkombination Alt+F2 betritt man den Ausführen dialog, wo man den Orca Setupassistenten mit der Eingabe von orca
starten kann. Das automatische ausloggen aus der GNOME Sitzung am Ende der Konfiguration klappte erst, als ich ein weiteres mal auf die Entertaste drückte. Notalls hilft auch die Tastenkombination Strg+Alt+Entfernen, womit der komplette X-Server neu gestartet wird und der grafische Anmeldebildschirm erneut erscheint.
Hat man die Datei /etc/default/brltty noch nicht umgestellt und wechselt mit der Tastenkombination Strg+Alt+F1 auf eine echte Konsole, kann man BrlTTY auch hier nicht verwenden. Nach der Eingabe von brltty
wird der Brailletreiber zwar geladen – auf der Zeile erscheint aber “no screen”. Man müsste also die Braillezeile unter Gnome verwenden und beispielsweise im gnome-terminal die Konfigurationsdatei bearbeiten. Das nenne ich einen nicht wirklich benutzerfreundlichen Einstieg in die Ubuntu-Welt.
Datum der Veröffentlichung: Freitag, 07.11.2008